Lukas 24, 13-35 | Göttinger Predigten im Internet (2024)

Ostermontag, 21. April 2003
Predigt über Lukas 24, 13-35, verfaßt von Johannes Neukirch

Unser Predigttext ist die Geschichte von den Emmausjüngern, die wir vorhin als Lesung gehört haben. Ich lese noch einmal einen Teil aus der Geschichte:

27 Und Jesus (er) fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war. 28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. 29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. 30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. 31 Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. 32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“

Liebe Gemeinde!

Besonders hervorgetan haben sich die Jünger Jesu, seine Schüler, diejenigen, die mit ihm gegangen sind, ja so gut wie nie. Oft verstanden sie Jesus nicht und wurden mutlos. Bei der Gefangennahme, das haben wir ja in den letzten Tagen in der Passionsgeschichte wieder gehört, ließen sie Jesus im Stich, sie hatten Angst. Es waren eben ganz normale Leute.

Was für ein Glück für uns! Gerade an Ostern, wo es um die Auferstehung geht, sind wir auf ganz normale Menschen angewiesen, bei denen wir ablesen können, wie sie das denn verstanden und verarbeitet haben. Stellen Sie sich vor, die Jünger wären völlig abgehoben und durchgeistigt gewesen. Und wir würden in der Bibel lesen, dass wir nach nur nach mehrwöchigem Fasten und Meditieren eine gewisse Ahnung davon bekommen könnten, was die Auferstehung Jesu bedeutet – wir würden wahrscheinlich dankend ablehnen.

Was für ein besonderes Glück, dass es die Geschichte von den Emmausjüngern gibt, ganz normale Menschen treffen den Auferstandenen. Als die beiden Jünger von Jerusalem aus zu dem Ort Emmaus gehen, war schon alles passiert. Jesus ist drei Tage vorher gekreuzigt worden. Dann sind die Frauen zum Grab gegangen und stellten fest, dass das Grab leer ist. Zwei Männer mit glänzenden Kleidern sagten zu ihnen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ Die Frauen sagten das den Jüngern weiter, die ihnen aber nicht glaubten. Ganz normale Menschen eben.

Und nun der Marsch der beiden Weggenossen Jesu nach Emmaus, selbstverständlich unterhielten sie sich über die Ereignisse. Sie waren enttäuscht, traurig, mutlos. So viel Hoffnung hatten sie in den neuen König Israels gesetzt, offensichtlich ganz umsonst.

Jetzt passiert das, was die Lösung aller ihrer Probleme sein könnte: der auferstandene Jesus kommt und schließt sich den beiden auf ihrem Weg an. Nur: Sie erkannten ihn nicht! Stellen sie sich das mal aus der Sicht von Jesus vor: Der Superstar wird auf offener Straße nicht erkannt! Das ist normalerweise das Ende einer Karriere – wenn ein Star nicht mehr erkannt, sondern wie jeder andere normale Mensch auch behandelt wird.

Hier war das so gewollt. In unserer Geschichte steht: „Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten“. Zum Glück, kann ich wieder nur sagen. Wir brauchen kein Bild von Jesus, er hängt nicht als Poster in unseren Kirchen und Wohnungen. Wir müssen ihn nicht sympathisch oder toll finden, es gibt keinen Personenkult um Jesus. Die Emmausjünger haben ihn nicht einmal erkannt. Gut so

Dann erzählen sie ihrem neuen Weggefährten was alles passiert ist, auch von den Frauen, die vor dem leeren Grab standen.

Jesus ist immer noch extrem zurückhaltend. Er sagt nicht „ich bin’s“ oder irgend etwas in dieser Richtung. Er greift auf die Schriften zurück, vor allem auf die Propheten und das, was sie vom Messias, vom Retter der Welt gesagt haben. Er wollte ihnen damit erklären, dass der Tod von Jesus, also sein eigener Tod, nötig gewesen ist, um den Plan Gottes zu erfüllen.

Er muss wohl eine Weile die heiligen Schriften ausgelegt haben, während sie weiter marschierten. Gegen Abend kamen sie nach Emmaus. Es sah so aus, als wollte Jesus weiter gehen. Da sagten die beiden zu ihm: „Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt“. Sie haben angebissen, sie haben gemerkt, dass sie einen besonderen Begleiter haben, der für sie wichtig ist.

In unserer Geschichte heißt es dann: „Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurde ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.“ Beim Abendessen, beim Abendmahl, mit denselben Worten wie beim letzen Abendmahl mit den Jüngern, gibt er sich zu erkennen: er ist auferstanden, er ist da, er ist bei ihnen.

Wohltuend, finde ich. Kein Donnerschlag, kein Licht vom Himmel, er schlägt nicht ein wie ein Blitz. Nichts besonderes: nur die Gemeinschaft.

Jesus teilt sich mit, indem er das Brot austeilt. Er gibt sich zu erkennen – in einer alltäglichen Situation, in der Gemeinschaft an einem Tisch.Und nun? Gleich im nächsten Satz, nach „und sie erkannten ihn“ steht: „Und er verschwand vor ihnen.“

Ist das nicht grandios erzählt? Stundenlang läuft Jesus mit ihnen und legt ihnen die Bibel aus. Sie unterhalten sich, die Jünger ahnen etwas und bitten ihn zu bleiben. Endlich, nach langem Anlauf kommt der Augenblick, in dem sie ihn erkennen und sofort ist er wieder weg. Der Auferstandene ist nicht fassbar und nicht greifbar.

Keine Zeit für ein Interview, keine Zeit für Überprüfungen – war er’s wirklich oder haben wir uns vielleicht doch getäuscht? – keine Zeit für Heldenverehrung, keine Fragen an den Auferstandenen, wie denn die Auferstehung funktioniert, keine Antworten. „Und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen“.

Die Jünger haben ihn erkannt, ihre Augen sind geöffnet und im selben Augenblick ist er wieder weg. Kein Ansatzpunkt für Spekulationen, und das ist gut so. Denn ich kann den Auferstandenen auch nicht mit meinen Augen sehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, in welchem Zustand er jetzt ist. Ich weiß nicht, wie das aussieht, wenn er, wie es im Glaubensbekenntnis heißt, zur Rechten des Vaters sitzt.

Was für ein Glück, dass wir die Emmausjünger haben. Ganz normale Menschen, denen der Auferstandene begegnet. Sie erkennen ihn nicht und als sie ihn erkennen ist er auch schon wieder weg. Sie haben den Auferstandenen nicht mehr als wir. Wir können ihn auch nicht greifen und nicht festhalten.

Aber er war bei ihnen, hat sie begleitet und ihnen die Augen geöffnet – waren sie nicht doch im Vorteil?

31 Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. 32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“

Im Rückblick erkennen die Jünger, was sie eigentlich erlebt haben: Der Auferstandene hat durch die Auslegung der Schriften zu ihnen geredet. Dabei, so sagen sie, hat ihnen das Herz gebrannt. Der Moment des Erkennens beim Abendmahl war wichtig, aber er wirft letzten Endes nur ein Licht auf das, was auf dem Weg nach Emmaus passiert ist.

Glauben und erfahren wir das nicht auch, liebe Ostergemeinde? Dass der Auferstandene durch die Bibel zu uns spricht – dass uns durch eine Geschichte, durch einen Satz, durch ein bestimmtes Wort ein Licht aufgeht und noch mehr: dass unser Herz brennt. Glauben und erfahren wir nicht auch die Momente, in denen wir in der Tiefe unseres Herzens spüren: er ist auferstanden, er ist bei uns, er hat den Tod überwunden?

Der Auferstandene redet mit uns. Er hat den Emmausjüngern die Schrift geöffnet und ihr Herz in Brand gesetzt. Das tut er heute noch genau so bei uns. Wenn Gottes Wort zu uns redet und unser Herz öffnet und uns bewegt, dann gehen wir mit den beiden Jüngern von Jerusalem nach Emmaus, dann ist der Auferstandene bei uns.

Amen.

Dr. Johannes Neukirch, Hannover
E-Mail: johannes.neukirch@evlka.de

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